Es ist nicht zu übersehen, dass die unipolare Vormacht der USA dem Ende zugeht. Jahrzehntelang konnten sie mit ihrer Finanz- und Wirtschaftskraft sowie ihrer Waffengewalt in allen Teilen der Welt den Staaten ihren Willen aufzwingen. Und wer sich nicht fügte, der wurde als Schurkenstaat aus der Welt gebombt. Das gelang mittels gelenkter Putsche, wie in Chile oder der Ukraine, oder durch radikale Angriffskriege. In Libyen und dem Irak reichte es, dass ihre Machthaber aus dem Petrodollarsystem aussteigen wollten, um sie auszulöschen. Die wenigen Länder, die militärisch nicht angegriffen werden konnten, wurden mit Militärbasen umstellt und mit Wirtschaftssanktionen und Handelsembargos unter Kontrolle gehalten. Letztendlich scheiterte der Widerstand jedes einzelnen Staates gegen die USA.
In den letzten Jahren sehen wir eine neue Entwicklung. All die vielen Staaten, die die harte Hand der USA zu spüren bekommen haben, schließen sich zusammen, etwa in Form der BRICS-Staaten, die als eigenständige Finanz- und Wirtschaftsmacht zusammenarbeiten und ihren Handel nicht mehr über den US-Dollar, sondern mit Eigenwährungen führen. Ihnen gehören nicht nur Russland, China und Indien, und damit der größte Teil der Menschheit, an, sondern neben Südafrika auch Brasilien, das damit als erster Staat die Monroe-Doktrin ad absurdum führt. Zusammen sind diese Länder weder ökonomisch noch militärisch besiegbar. Und ihre Anziehungskraft ist groß, so dass neben Iran, der ehemalige Dauerverbündete Saudi-Arabien und sogar NATO-Mitglied Türkei den USA den Rücken zeigen und aufgenommen werden wollen.
Die finanzpolitische und ökonomische Macht der USA fällt so langsam aber stetig. Inflation und Wirtschaftseinbußen tun ihr übriges. Und damit sinkt auch die militärische Kraft. Natürlich besteht noch ein erhebliches Waffenpotential, das derzeit nicht überwunden werden kann. Doch ist die alte Strategie der Flugzeugträgerflotten, mit deren Hilfe überall Krieg führbar war, hoffnungslos in die Jahre gekommen, können moderne Raketensysteme die einstigen Kampfmaschinen doch heute leicht auf den Grund der Ozeane befördern. Erste Misserfolge zeigen sich. Aus Afghanistan zog man sich blamabel zurück und der Versuch mit Syrien so umzugehen, wie vormals mit benachbarten Staaten, scheiterte kläglich. Dass China sich Taiwan einverleibt, ist nur eine Frage der Zeit. Und innerhalb der USA herrscht eine soziale Misere riesigen Ausmaßes mit zehntausenden Menschen, die auf der Straße schlafen und aus der Gesellschaft gefallen sind.
Die NATO-Staaten standen den USA bisher treu zur Seite. Doch die einstige Freundschaft wandelte sich in ein Abhängigkeitssystem, in dem die USA herrschen und die Verbündeten zu gehorchen haben. Das führt zu einem Vertrauensverlust und klappt nur mehr unter Zwang. Nun führt der Hegemon offen Aktionen gegen Verbündete durch, wie wir wohl spätestens seit der Sprengung der Nordstreampipeline erkennen. Im Moment haben wir zwar eine schwache Bundesregierung mit einem Kanzler, der wie Vogel Strauß den Kopf in den Sand steckt. Doch langfristig kann so eine Kooperation nicht mehr funktionieren. Dass die USA dies nötig haben, ist auch nur ein Zeichen ihrer zunehmenden Schwäche, die früher oder später zum Verlust der Verbündeten führt. Lediglich ihre Arroganz der Macht haben sich die USA erhalten. Und den Wahn, den Weltsystemwechsel hin zu einer multilateralen Ordnung aufzuhalten zu können. Doch das ist historisch in vergleichbaren Situationen immer gescheitert und führte meist zu Millionen an Toten. Das macht die Situation für uns heute so gefährlich.
Persönliche Stellungnahme von Dr. Jürgen Wächter, Pressesprecher OWL